Jugend und Corona: Ein Studenten-Leben am Bildschirm

Die Corona-Pandemie offenbart die Schwächen des universitären Lehrbetriebs.

Schwarzenberg, Wien Seit über einem Jahr befinden sich Studierende und Dozenten an den Universitäten und Fachhochschulen in der Fernlehre. Die Pandemie lässt kaum Präsenzveranstaltungen zu. Das geht nicht nur zu Lasten des Lernerfolgs. Immer mehr Studierende leiden unter Einsamkeit, Stress und Zukunftsängsten, wie eine Umfrage der „Studo“-App unter 420 Studenten zeigt. Neun von zehn fühlen sich mit dem aktuellen Lernaufwand überfordert, mehr als drei Viertel sehen sich mit ihren Kommilitonen nicht ausreichend verbunden.

Handhabung unterschiedlich

Es ist eine Lebensrealität, die die 21-jährige Jamila Böhler bestens kennt. Die Schwarzenbergerin studiert Transkulturelle Kommunikation an der Universität in Wien, ihr Studium findet seit mehr als einem Jahr am Bildschirm statt: „Wir machen seit März 2020 fast alles online.“ Die Lehrpersonen handhaben ihre Veranstaltungen unterschiedlich: „Zum Teil müssen wir uns das Wissen selbst aneignen.“

Manche Professoren vermitteln den Stoff via Videokonferenz, die anderen machen eine Vorlesung, bei der die Studenten nur schriftlich fragen können. „Es kann schon einmal sein, dass sich die Beantwortung einer Frage über Monate hinweg zieht, obwohl sie in zehn Minuten zu klären wäre“, sagt Jamila Böhler und bekräftigt: „Der aktuelle Lernaufwand ist schon sehr hoch, da wünschen wir uns auf jeden Fall Entlastung.“ Aufgaben seien oft nur sehr schwer in der vorgegebenen Zeit bearbeitbar.

Jemand der die Situation von der anderen Seite gut kennt, ist Stefan Hopmann. Er forscht und lehrt am Institut für Bildungswissenschaften an der Uni Wien. Vor allem die Prüfungssituationen seien eine Herausforderung, sagt er: „Ich kann einfach keine 500 Essays von 500 Studierenden lesen und bewerten, da muss ich auf standardisierte Prüfungsverfahren zurückgreifen.“ Er verstehe zudem die zunehmende Überforderung der Studierenden, das sei eine logische Entwicklung: „Sowas wie diese Pandemie macht die Schwächen eines Systems noch einmal deutlicher, zum Beispiel dass wir in Österreich chronisch unterversorgt sind.“

Stefan Hopmann erkennt außerdem eine wachsende soziale Ungleichheit: „Wir haben Studenten, die haben keine Flatrates zuhause, die haben keine schnellen Datenleitungen. Darauf müssen wir natürlich Rücksicht nehmen. Zum Beispiel, wenn das Internet bei der Online-Prüfung versagt.“ Bei den Studierenden seien große soziale Unterschiede erkennbar, hält der Professor fest. Auch Jamila Böhler sieht das so: „Viele haben mit Corona einen hohen finanziellen Aufwand.“

Da sei es keine Überraschung, dass es hier eine immer breiter werdende Kluft gäbe. Und auch auf sozialer Ebene würden die jungen Menschen vieles vermissen: „So komisch es klingt: Es wäre uns schon viel geholfen, wenn wir wieder einmal an die Uni gehen könnten, in die Bibliotheken zum Beispiel.“ Der Uni-Alltag ist seit einem Jahr allerdings vorwiegend online und trist. Daher wäre eine Aufstockung der psychosozialen Betreuung laut Hopmann dringend notwendig.

 

Dieser Text erschien zuerst am 07.04.2021 in den Vorarlberger Nachrichten, wurde von mir geschrieben und ist weiterhin hier abrufbar.

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