Fragen über Fragen, Akten über Akten

Nationalrat geht in 27. Untersuchungsausschuss der zweiten Republik, Korruptionsvorwürfe gegen ÖVP-geführte Ministerien werden untersucht.

Wien „Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen“, steht in Artikel 52 der Bundesverfassung. So können die Abgeordneten zum Beispiel Anfragen an eine Ministerin stellen. Oder sie setzen einen Untersuchungsausschuss ein, um ein bestimmtes Thema der Vollziehung genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor wenigen Wochen ist dies zum 27. Mal in der zweiten Republik geschehen: SPÖ, FPÖ und Neos laden zum „Untersuchungsausschuss betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“.

Die Oppositionsparteien können das seit 2015, als Untersuchungsausschüsse zum parlamentarischen Minderheitenrecht wurden. Seither werden die Unterschriften von nur 46 Abgeordneten benötigt, zuvor war das einer parlamentarischen Mehrheit vorbehalten: Dieses Recht haben die drei Parteien nun genutzt. Gemäß ihrem Antrag sollen die ÖVP-geführten Ministerien zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 Gegenstand der Untersuchung sein. Das ist der Zeitraum zwischen dem ersten und letzten Tag von Sebastian Kurz im Amt des Bundeskanzlers.

Befragungen nach Lieferungen

Die wichtigste Kompetenz der Untersuchungsausschüsse liegt darin, von Behörden Akten und Unterlagen anzufordern. So sind zum Beispiel die Ministerien verpflichtet, relevantes Material zum Untersuchungsgegenstand weiterzugeben – dazu gehören auch die mittlerweile berühmten Chat-Protokolle. Und das passiert in großen Mengen, wie die Parlamentsdirektion auf VN-Anfrage berichtet: Bisher wurden 204 Festplatten und 884 analoge Ordner übermittelt. Hierbei wird aufgrund der Sicherheitseinstufungen unterschieden: „Vertrauliche“, „Geheime“ und „Streng Geheime“ Dokumente dürfen nämlich nicht digital verarbeitet werden.

Die zweite Komponente des Beweisverfahrens sind Befragungen von Auskunftspersonen. Zum aktuellen Themenkomplex werden diese ab Anfang März stattfinden. Sie sind zwar nicht öffentlich zugänglich und werden – entgegen vielen Forderungen – nicht übertragen, dürfen aber von Medienvertretern beobachtet werden. Unter anderem geladen werden voraussichtlich Bundeskanzler Karl Nehammer, der Unternehmer Sigi Wolf und der ehemalige Vorstand der ÖBAG, Thomas Schmid. Außerdem stehen Eckart Ratz und Hans Jörg Schelling, ehemalige Regierungsmitglieder aus Vorarlberg, auf der Ladungsliste.

Verlängerung möglich, aber nicht unbegrenzt

So bleibt nur noch die Frage, wie lange der Untersuchungsausschuss dauert. Prinzipiell ist er für 14 Monate angesetzt, währenddessen können auch neue Auskunftspersonen geladen und neue Akten angefordert werden. Sollten die Abgeordneten aber mehr Zeit benötigen, kann die einsetzende Minderheit einmal um drei Monate verlängern – für weitere drei Monate braucht es einen Beschluss der Mehrheit. Nach maximal 20 Monaten ist dann endgültig Schluss. Wie übrigens auch automatisch, wenn sich der Nationalrat auflöst und Neuwahlen beschließt.

 

Dieser Text erschien zuerst am 06.02.2022 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.