Von politikverdrossenen Jugendlichen

Für die Website von Radio FM4 durfte ich einen Gastbeitrag rund um die Informationsbeschaffung von Jugendlichen im Vorfeld der kommenden Nationalratswahl schreiben. Warum Jugendliche gar nicht so politikverdrossen sind, wie viele Leute immer noch tun, wie wir uns über die Themen und Positionen der jeweiligen Parteien informieren und welche Geschehnisse so staatstragend sind, dass wir die Live-Streams in der TV-Thek sogar während des Unterrichts anschauen dürfen…


Wenn man heutzutage mit Personen älteren Alters spricht bzw. Politikerinnen und Politikern älteren Alters zuhört, könnte man meinen, dass der Zustand des Politikverständnisses von österreichischen Jugendlichen wirklich fatal ist. Man hört hier, dass junge Leute nur eine andere Partei als die Eltern wählen, weil sie „nach Wean“ gehen, und man hört da, dass die „Fridays For Future“-Bewegung gar kein wirkliches politisches Anliegen unterstützt, sondern vielmehr als Ausrede für freitägliches Schulschwänzen herhalten muss.

Dass das natürlich so etwas überspitzt dargestellt ist, ist mir durchaus bewusst. Ändern tut dies aber nix daran, dass in den Köpfen vieler Personen immer noch der Gedanke festzusitzen scheint, dass sich Jugendliche sowieso nicht für politische Vorgänge, Parteien oder Wahlen interessieren ließen. In diesem Gastbeitrag für Radio FM4 versuche ich deshalb einmal ganz explizit aufzuschlüsseln, wie die Informationsbeschaffung für Jugendliche im Hinblick auf die vorgezogene Nationalratswahl ausschaut.

Zuerst sollte man, meiner Meinung nach, natürlich die verschiedenen Möglichkeiten aufschlüsseln, die sich in der heutigen Zeit überhaupt bieten, sich über die politischen Positionen, von Parteien oder einzelnen Kandidatinnen oder Kandidaten, und allgemein über politische Vorgänge im Land zu informieren.

Der größte Platzhirsch ist und bleibt an dieser Stelle auf jeden Fall das Fernsehen, das sicherlich, obwohl es oft als „Senioren-Medium“ abgetan wird, im Hinblick auf Wahlen am meisten konsumiert wird. Allen voran steht hier natürlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der eigentlich an jedem Vormittag dafür sorgt, dass man wieder ein neues Thema hat, das am Abend zuvor in einer Konfrontation, einer Elefantenrunde oder einem Sommergespräch angesprochen wurde und das jetzt ausführlich unter den Klassenkolleginnen und Kollegen besprochen werden kann. Deswegen verwundert es auch nicht, dass bereits während der Sendung heftigst in verschiedenen WhatsApp-Chats über das Gesagte diskutiert wird, denn geschaut werden die Sendungen wirklich von versammelter Mannschaft.

Zum zweiten großen Informationslieferanten sind – wer hätte etwas anderes vermutet – die Sozialen Medien geworden. Seien es Twitter, Instagram, Snapchat, verschiedene Podcasts von „klassischen Medien“ oder irgendwelche Parteien-Newsletter per E-Mail, von denen man sich nicht einmal mehr herleiten kann, wie die überhaupt im Postfach gelandet sind: Das Handy und das Internet sorgen für einen nicht unbedeutsamen Teil an Information, den wir im Vorfeld einer Wahl aufsaugen.

Man muss nicht einmal mehr den Parteien oder den Kandidatinnen und Kandidaten explizit auf einer dieser Plattformen folgen. Es reicht schon, wenn zufällig eine andere Person aus dem Freundeskreis ein Foto eines Spitzenkandidaten liket, wenn sich das Social-Media-Team einer Partei denkt, dass es ganz lustig sei, irgendwelche unlustigen Memes zu erstellen, oder wenn man aus purem Zufall – meistens aufgrund der demografischen Daten des Aufenthaltsortes – in die Zielgruppe einer Werbekampagne „reinrutscht“ und dann jedes vierte Posting in der Timeline durch ein perfektes Werbefoto ersetzt bekommt. Danke für alles. (Kleiner Tipp: Es nervt eher.)

Und auch die Schule spielt eine nicht unbedeutende Rolle in der Vorbereitung auf die kommende Parlamentswahl. Im Speziellen erinnere ich mich zum Beispiel noch gut an die Vorgänge rund um die Ibiza-Affäre im vergangenen Mai und Juni, als es uns in einigen Fächern gestattet war – manchmal war es sogar erwünscht –, dass wir eine der vielen Reden von Bundespräsident Van der Bellen, das Misstrauensvotum gegen die Regierung Kurz im Nationalrat oder die Antrittsrede von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein schauen. Dass die TV-Thek während des laufenden Unterrichts gestartet werden durfte, war uns bisher nur von den Olympischen Winterspielen oder von der alpinen Ski-WM bekannt. Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger wissen eben, wie sie ihre Prioritäten zu setzen haben.

 

Bild: Thomas Wolf, www.foto-tw.de [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

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