FM4-Kolumne, No. 2: Abnormale neue Normalität

Seit eineinhalb Jahren ist das Unileben nicht mehr wiederzuerkennen: Distance Learning und mal strengere, mal lockerere Covid-Regelungen haben das Studium ganz schön verändert. Worauf müssen sich die Studierenden jetzt einstellen?

„Liebe Kolleg*innen! Ein*e Teilnehmer*in unserer Lehrveranstaltung hat gemeldet, dass er*sie sich mit Covid-19 infiziert hat und in den vergangenen Tagen in der Lehrveranstaltung vor Ort war.“

Dieses trockene E-Mail habe ich vor wenigen Tagen von der Universität Wien erhalten. Von dem Ort, an dem Ende Oktober kurzerhand die FFP2-Pflicht in den Hörsälen abgeschafft wurde und an dem die „Empfehlung auf freiwilliger Basis“, die Masken während der Veranstaltungen weiter zu tragen, eher durchwachsen angenommen wurde.

Mit den Änderungen der Schutzmaßnahmen wurde ein großer und lange Zeit geäußerter Wunsch der Student*innen – speziell jenen im ersten Semester – erfüllt. Hybride Lehre war zumindest zum Studienbeginn mühsam, speziell mit technischen Hürden, die zu überwinden waren und sind. Mal wurde der Stream aus dem Hörsaal mit den dicken Wänden einfach so unterbrochen, mal wurden Fragen im Hörsaal gestellt, die mangels Mikrofon für die Menschen vor ihren Bildschirmen zuhause nicht hörbar waren, mal vergaß der*die Leiter*in der Lehrveranstaltung das Mikrofon beim Gang in die Sitzreihen mitzunehmen. Mühsam trifft es, glaube ich, ganz gut.

Die Vorteile der Distanz

Gleichzeitig genießen meine Kommiliton*innen und ich die Vorteile, die das Distance Learning mit sich bringt – die können wir auch gar nicht in Abrede stellen. Frühmorgens aufzustehen, den regnerischen Himmel über Wien sehen – hier ist es echt oft echt grau (und windig) – und dann doch noch im Bett liegen zu bleiben und sich die Vorlesung im Stream anzuschauen, hat seine Vorteile. Oder auch gleich die Aufzeichnung im Nachhinein anzuschauen – was wir natürlich ganz brav tun.

Doch wie kann es an den Universitäten sinnvollerweise weitergehen? Mit dem drohenden Lockdown für alle und überall dürfte es das mit der Präsenzlehre auch wieder gewesen sein. Doch bereits jetzt geben 57% der Student*innen in einer aktuellen Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung im Auftrag der Wiener Arbeiterkammer an, durch die Unwissenheit über die Abläufe belastet zu sein. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahl nicht sinken wird. So wäre speziell eine offene und klare Kommunikationslinie wichtig – und evidenzbasierte Entscheidungen. Wahrscheinlich wird es auch im Jänner noch keine allzu gute Idee sein, 300 Personen in einen Keller-Hörsaal zu stecken. Technische Vorkehrungen für Distance-Learning sollten also längerfristig gedacht und verbessert werden. Und Gewissenheit sollte es geben, zumindest für die Prüfungen der StEOP, die ab Mitte Jänner anstehen.

 

Dieser Text erschien zuerst am 18.11.2021 bei FM4-Online und ist weiterhin hier abrufbar.

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